Sie sind alle da. Gereon und Charlotte, die Polizeikollegen Czerwinski und Henning der Fotograf Reinhold Gräf – das sind die Guten. Dazu noch die Künstler, Vera, Tristan und Esther. Dann kommt die Unterwelt, präsent mit dem Armenier und seinem Partner Walter Weintraub. Alle am Set präsent. Es hätte wirklich schlimmer kommen können für uns. Schwergewichte und Newcomer des deutschen Films…die Klatschpresse hätte ihre wahre Freude. Vor allem heute: Es ist Familientag! Der Schauspiel- und Regienachwuchs steht in den Startlöchern, naja, ein paar Jahre noch. Auch die Kollegen schauen vorbei.
Achim von Borries, der zweite im Bunde des Regisseur-Trios, hat schon im Dezember seine letzten Drehtage hinter sich gebracht und guckt, was sein Partner so macht. Und wenn Achim kommt, wird es heiter. Nirgendwo wird so viel gelacht wie bei Achim, hat Volker Bruch mal gesagt. Sogar bei ernsten Szenen lacht man sich schlapp. Nikko Weidemann, verantwortlich für die so eingängige wie überraschende Musik für die ersten Staffel, ist auch da. Bei der dritten Staffel wirkt er nicht mit, aber sein Moka Efti Orchestra tourt ja auch von einer ausverkauften Show zur nächsten. Wird unser neuer Ohrwurm, der Film-Musical-Hit, mit „Zu Asche zu Staub“ mithalten können?
Die große Babylon Berlin-Familie, das ist hier tatsächlich keine leere Phase. Weil hier wirklich Familie eine Rolle spielt. Mir kommt ein Interview mit Tom Tykwer in den Sinn, in dem er über die Bedeutung von Familie und Privatleben spricht. Er fragte sich, wie es möglich ist, daß die Amerikaner in kürzester Zeit eine riesige Serie nach der anderen raushauen. Machen wir hier etwas falsch, fragt er sich, weil es in Deutschland doch etwas langsamer geht. Und ruft dann Serienmacher in den USA an: „Wie macht ihr das, ohne kurz vorm Tod zu stehen?“ – und die völlig frustrierende Antwort war: „Wir stehen alle kurz vorm Tod!
Kurz vor dem Tod stehen wir jetzt auch. Wenn wir denn dem Armenier widersprechen. Wir drehen inzwischen weiter. „Ihr habt nichts gesehen. Habt ihr das verstanden?“ herrscht Mišel Matičević uns, die Filmcrew, die Tänzer und die Musiker an. Drohend schaut er uns an, nur ein klägliches Ja kommt einigen über die Lippen. Misel lacht. „Wirke ich so böse? Ich tue euch nichts“. Sowieso Matisevic, er kokettiert mit seiner Rolle als Bösewicht. Noch mehr, als Ronald Zehrfeld mit dazu kommt, das Duo Infernale. In einer meiner Lieblingsserien, „Im Angesichts des Verbrechens“, stehen sie sich feindlich gegenüber. Der eine ist Polizei, der andere ist Mafiaboss in Berlin. Bei Babylon sind sie beide auf der Seite der Unterwelt. Aber dabei maximal gut gelaunt.
Es ist eine einmalige Erfahrung, mit all diesen großartigen Schauspielern zu drehen und zu sehen, wie sie arbeiten. Natürlich alle hochkonzentriert. Aber alle auch anders. Volker Bruch spricht vor dem Dreh seine Sätze noch einmal halblaut vor sich hin. Liv Lisa Fries diskutiert gerne nach ihren Szenen mit Tom Tykwer. Das passt gut, denn auch Tom ist ja, so Volker Bruch, extrem auf Details fixiert. Der Mathematiker unter den drei Regisseuren. Soll sie sich eine Gurke von dem Deko-Brötchen stibitzen? Oder sich halb auf den Tisch der Maskenabteilung setzen, während sie das Treiben im Studio beobachtet. Sie ist ja jetzt richtig drin im Ermittlerteam, das war das Ergebnis von Staffel 3. Aber anerkennen tun das noch nicht so alle. Der Armenier, dessen Kühlraum aus Staffel 2 sie noch in Erinnerung haben, serviert sie ähnlich kühl ab.
Der Regieassistent ruft: „jetzt nochmal die Szene mit Charlotte und Wolter“. Kurzes Stutzen. Wolter? Ist doch längst tot, am Zug auf dem Weg nach Russland gegrillt worden. War nur ein Versprecher. Gereon, nicht Wolter sollte es sein. Lachen am Set. Übrigens: hier sprechen alle von Gereon, von Charlotte, von dem Armenier – keiner am Set nennt die Schauspieler mit echtem Namen. Und auch als ich draußen einmal kurz mit Liv Lisa Fries spreche, kommt zunächst ein „Charlotte“ über meine Lippen. Sie nimmt es mit Humor. Richtig Humor haben auch das Traumpärchen Henning und Czerwinski. Henning, gespielt von Thomas Merten, treffe ich dann tatsächlich an einem der kommenden Abende in unserem Kiez wieder, Feierabendbier. Irgendwann will er einen Film machen über das Haus, in dem er wohnt. So viele Geschichte, so viele Geschichten.
Wieder Pause. Und es sind neue Leute am Set. Diesmal die Presse. Ein paar ausgesuchte Journalisten dürfen das Set besichtigen. Es sind ja auch spektakuläre und sehr aufwändige Szenen, die einen guten Eindruck von der Professionalität des ganzen Teams geben. Etwas im Hintergrund hält sich ein weiteres Mitglied der Babylon Berlin-Familie. Naja, eigentlich steht Volker Kutscher ja für eine, seine eigene Familie. Er ist der Autor der Bücher um Gereon Rath, die auch die Vorlage für die ersten drei Staffeln waren. Ich hatte mit ihm ein paar Mal gesprochen, als noch nicht klar war, daß wir eine Tour zur Serie machen. Eine Tour zu den Büchern wäre natürlich auch hochspannend. So viele inhaltliche Hintergründe zur Weimarer Republik, so viele Details zu Politik, Kultur, Alltag hat Volker Kutscher zusammengetragen – in der Gereon-Rath-Saga lernt man mehr über die Zeit als in manchem Sachbuch.
Aber Details findet er auch hier genug. Die ganze Marlene Dietrich-Halle ist ja wie ein Museum der 20er Jahre. Die Halle selbst ein Original, viele Requisiten auch und den Rest hat die Requisitenabteilung täuschend echt erschaffen.
Bis ins kleinste Detail – und immer wieder erlebt man Überraschungen. Zum Beispiel bei den Zigaretten…